Dämmen

Dämpfer für die Dämmung

Dämmung
28.05.2024

Die Dämmstoff-Branche leidet unter der Wohnbauflaute – und so schnell dürfte sich die Situation nicht verbessern. Die Kritik am Wohnbaupaket der Regierung wächst.
Dämmen: von Wohnbaukrise betroffen.

Georg Bursik lässt keine Zweifel darüber aufkommen, wie er die aktuelle Situation der Dämmstoff- Branche einschätzt: „Die Marktlage im Wohnbau ist äußerst kritisch. Wir sind bereits in einer Immobilienkrise, da es kaum noch Neubauten gibt“, meint der Österreich-Geschäftsführer des Baustoffherstellers Baumit. Und so schnell wird sich die Situation wohl nicht verbessern. Die Rahmenbedingungen haben sich zwar durch die Verdreifachung der Fördersummen für Sanierungen vor einigen Monaten deutlich verbessert – aber noch wirkt sich das nicht im Absatz aus. Bursik: „Im Bereich thermische Sanierung sind zumindest die Anfragen höher, aber es dauert neun bis zwölf Monate, bis man dies auch in Absätzen spürt.“

Die Flaute im laufenden Geschäftsjahr trifft eine Branche, die sich schon in den beiden Jahren nicht gerade über Rückenwind beklagen durfte. Dies zeigen die Zahlen der Interessensvertretung „Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050“ (GDI 250), in der sich Dämmstoff- und Fensterindustrie sowie weitere Hersteller aus dem Bereich Gebäudehülle zusammengeschlossen haben: Laut GDI- sank der Dämmstoffmarkt in Österreich zwischen 2021 und 2023 insgesamt um knapp 20 Prozent. „2023 erreichte der Mengenabsatz mit insgesamt 5,2 Millionen Kubikmeter einen negativen Höhepunkt“, so die GDI 2050 in einer Aussendung. 2023 traf es sämtliche Dämmstoffarten: Die Schaumstoffe hatten ein Minus von 14,33 Prozent zu verzeichnen, die alternativen Dämmstoffe wie Zellulose, Schafwolle oder Hanf ein Minus von 14,29 Prozent und die Mineralwolle eines von 12,64 Prozent.

1,1 Millionen Kubikmeter weniger

Roland Hebbel, Vorstand der GDI 2050 und Geschäftsführer des Tiroler Dämmstoff-Herstellers Steinbacher: „Allein in den letzten beiden Jahren hat die Branche durch das geringe Bauvolumen 1,1 Millionen Kubikmeter weniger an Dämmstoffen verkauft und verbaut. Eine Trendumkehr ist aktuell leider noch nicht erkennbar. Zu langsam mahlen die Mühlen der Bürokratie.“

Dementsprechend verhalten fallen die Aussagen der verschiedenen Anbieter zum aktuellen Geschäft aus. „Dämmung entwickelt sich leider weitgehend analog zur Bauwirtschaft: also starke Rückgänge im Neubau, und – momentan leider nur weitgehend – stabiles Geschäft in der Sanierung und Instandhaltung“, meint Paul Lassacher, Geschäftsführer der Synthesa Gruppe. „Diese Rückgänge betreffen leider die gesamte Breite des Portfolios und sind in der ‚ökologischen Nische‘ aufgrund der dortigen, höheren Preise nochmals verstärkt.“

Robert Novak, Geschäftsführer Vertrieb bei Austrotherm, stellt ebenfalls fest, „dass das Bauvolumen für 2024 drastisch abgenommen hat“. Er beobachtet zudem einen „sehr harten Preiskampf aller Industriepartner, welcher auf die Margen drückt und Einsparungen in vielen Unternehmensbereichen dringend notwendig macht“. Wichtig, so Novak weiter, sei es daher „die hohe Service- und Produktqualität zu halten“. Und auch bei Rockwool zeigt man sich alles andere als begeistert: „Trotz eines stabilen Industrie- und Gewerbebaus können wir in Österreich die aktuelle Schwäche im Wohnungs- und Einfamilienhausbau nicht kompensieren“, mein Geschäftsführer Georg Pehn. „Mit dem Start in das Geschäftsjahr 2024 sind wir daher nur bedingt zufrieden.“

Wolfgang Marka, General Manager Adria & Italy bei Ursa, bezeichnet die aktuelle Marktlage „aufgrund des Rückgangs der Baugenehmigungen und dadurch des Neubausegments“ als „sehr angespannt“. Man sei bei Ursa aber positiv überrascht, „wie gut unsere neuen Produkte wie zum Beispiel die Ursa Tectonic Familie laufen“. Marka zeigt sich zuversichtlich: „Wir bleiben weiterhin optimistisch und reagieren, so gut wie es nur geht, auf das aktuelle Bedürfnis am Markt.“

Wenig Unterstützung erhofft sich Marka dabei vom Wohnbaupaket der Bundesregierung: „Wir stehen dem beschlossenen Wohn- und Baupaket aus mehreren Gründen skeptisch gegenüber. Zuallererst wurden die Maßnahmen viel zu spät veranlasst, die Regierung hätte bereits vor einem Jahr auf die negativen Prognosen reagieren müssen“, hält der Ursa-Manager mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. „Eine Konjunkturbelebung passiert nicht von heute auf morgen und aufgrund von fehlenden Regelungen ist es fraglich, wann und ob überhaupt Maßnahmen echte Auswirkungen zeigen“, ergänzt er und legt noch einmal nach: „Per heute – und die Hälfte des Jahres ist fast schon um – sind viele Details immer noch ungeklärt, und es stellt sich die Frage, ob die Maßnahmen nicht eher ein weiteres Hindernis als eine Perspektive für die Bauwirtschaft darstellen.“

So deutlich drücken es die anderen Vertreter der Branche nicht aus, aber die Kritik an Regierung und Bundesländern nimmt zu. Positive Kommentare, wie der von Rockwool-Geschäftsführer Pehn, sind eher die Ausnahme: „Das Baupaket enthält viele gute und wichtige Maßnahmen zur Aktivierung des Wohnungsbaus. Wir rechnen damit, dass das Paket zeitnah Wirkung zeigen wird“, meint Pehn.

Austrotherm-Geschäftsführer Novak klingt da schon etwas skeptischer. Er hält das Baupaket „grundsätzlich“ für „das richtige Signal“. Dann folgt allerdings ein deutlich vernehmbares „aber“: Effekte der Maßnahmen könne man „noch nicht feststellen“. Das werde noch dauern. Nun seien die Bundesländer am Zug. „Aktuell sind es für uns nur Schlagworte und erste Schritte, die konkrete Umsetzung wird zeigen, ob hier die richtigen Akzente von der Regierung gesetzt wurden.“

Bei Baumit Österreich-Chef Bursik ist das „aber“ noch klarer zu hören: „Die Ankündigung war gut und wichtig, aber jetzt gilt es noch Wege zu finden, wie Bauinteressierte, egal ob für den privaten oder mehrgeschossigen Wohnbau, zu ihrer Finanzierung kommen. Sonst bleibt die Wirkung aus“, meint Bursik. Nachsatz: „Und das wäre natürlich katastrophal.“ Synthesa-Geschäftsführer Lassacher beobachtet, dass die „Ankündigung“ des Pakets „natürlich erst einmal ein Zuwarten bis zur Klärung aller Details“ verursacht habe. „Es kommt daher jetzt auf die Umsetzungsgeschwindigkeit an, um nicht zu erwartendes Momentum unnötig abzuwürgen.“

Neben der noch offenen Umsetzung des Wohnbaupakets schlägt Baumit-Manager Bursik vor allem die umstrittene KIM-Verordnung, die den Banken strenge Auflagen bei der Vergabe von Immobilienkrediten macht, auf die Stimmung. „Durch die FMA wird so ein Druck auf die Banken ausgeübt, dass diese keine Finanzierung an Bauträger vergeben. Das zerstört den Markt und viele Arbeitsplätze“, konstatiert Bursik. Austrotherm-Geschäftsführer Novak ergänzt: „Die strenge Kreditvergabepraxis, die KIM-Verordnung, welche einer Bevormundung der Banken gleichkommt“, bleibe leider ein „unangetastetes Problem. Eine Lockerung würde dem Wohnbau einen positiven Impuls geben.“

Die langfristigen Perspektiven der Dämmstoff-Branche sind natürlich gut. Der Green Deal der EU, der eine Dekarbonisierung des Gebäudebestands bis 2050 vorsieht, sorgt für wachsenden Druck auf private und gewerbliche Immobilienbesitzer, ihre Gebäude thermisch zu sanieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen pro Jahr rund 3 Prozent der Bestandsgebäude thermisch saniert werden. In den vergangenen Jahren lag die Sanierungsquote nur bei 1,5 Prozent. Es ist daher davon auszugehen, dass die öffentliche Hand in Zukunft weitere Maßnahmen setzen wird, um die Sanierungen zu forcieren. Davon können die Dämmstoff-Hersteller nur profitieren.

Zunächst gilt es aber die aktuelle Flaute so gut wie möglich zu überstehen. Professionelles Krisenmanagement ist gefragt. „Jetzt gilt es an allen Stellschrauben zu drehen, um alle Verschwendungen zu vermeiden und alle brachliegenden Möglichkeiten zu heben. Gleichzeitig müssen unrentable Produkte, Geschäftsfelder und vom Kunden nicht wertgeschätzte Serviceaktivitäten überdacht werden“, meint Synthesa-Geschäftsführer Lassacher pragmatisch. Steinbacher-Chef setzt auf „antizyklische Investitionen“ in „unseren Produktionsstätten“ und in „den Ausbau unserer PV-Anlagen“. Man sehe sich bei Steinbacher „gut gerüstet“ für die nächsten Jahre.

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Bau Dach + Wand