verbindliche Kriterien?
Vergaberecht & Nachhaltigkeit: Ende der Freiwilligkeit?
Freilich ändert die Nationalratswahl nichts an den Auswirkungen des Klimawandels (auch wenn manche noch so stark hoffen, dass der Glaube daran, dass das von alleine vorbeigeht, etwas nützt). Daher wird die künftige Entwicklung auch des Vergaberechts in dieser Hinsicht nicht stehen bleiben.
Kaum Sanktionen zu befürchten
Die Aspekte der (ökologischen) Nachhaltigkeit sind im Vergaberecht aktuell immer noch kaum vorhanden. Zwar heißt es in § 20 Abs. 5 (§ 193 Abs. 5 für den Sektorenbereich) Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) so klar und eindeutig: „Im Vergabeverfahren ist auf die Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht zu nehmen.“ Das ist aber sehr weitgehend (von wenigen Ausnahmen wie z.B. der Beschaffung von Straßenfahrzeugen, oder der sporadischen Anwendung der Vorgaben des NABE 2020) eine bloße Zielbestimmung, die keine Inhalte nach sich zieht, sodass ein Auftraggeber auch kaum Sanktionen zu befürchten hat, wenn er das ignoriert.
Wenn ein Auftraggeber will, darf er freilich schon sehr umfassend die Umweltgerechtheit im Vergabeverfahren berücksichtigen, und zwar: In der Leistungsbeschreibung und in den technischen Spezifikationen (also als Mindestanforderung an die nach Beauftragung zu erbringenden Leistungen), in den Kriterien des Vergabeverfahrens (Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien) und in den Vertragsbestimmungen. Freilich muss ein Auftraggeber auch mit Augenmaß vorgehen; so etwa kann es gerade bei den Eignungskriterien (Mindestanforderungen, die jeder Bieter erfüllen muss), wenn man es übertreibt, schnell geschehen, dass kaum ein Bietermarkt mehr übrigbleibt; und damit ist letztlich auch der Nachhaltigkeit nicht geholfen.
Der Auftraggeber entscheidet
Aber niemand verbietet etwa dem Auftraggeber, die Angebote nicht nur nach dem Preis zu bewerten, sondern – und zwar auch überwiegend, also mit einer Gewichtung (deutlich) über 50 %, wenn er will – mit Qualitätskriterien; z.B. solchen der Energieeffizienz, der Abfall- und Emissionsvermeidung, des Bodenschutzes oder ökologischer Bereiche der Lebenszykluskosten.
Das Erstellen einer solchen Ausschreibung ist allerdings mühsamer, da das Vergaberecht an Zuschlagskriterien hohe Anforderungen stellt: Sie müssen mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen, dürfen dem öffentlichen Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen (kein willkürlicher Ermessenspielraum), müssen transparent sein und konkret beschrieben werden, und müssen natürlich auch mit den Grundprinzipien des Vergaberechts (Diskriminierungsverbot etc.) vereinbar sein. Und, was auch nicht gerade zur Anwendung motiviert: Auch die Erstellung der Angebote sowie deren Prüfung ist aufwändiger als bei Verwendung bloß des Preises.
Bessere Unterlagen verfügbar
Was die Anwendung allerdings in den letzten Jahren wesentlich einfacher gemacht hat, ist die breite Verfügbarkeit von Publikationen und Unterlagen, die nicht nur Schlagworte liefern, sondern tatsächlich umfangreiche und detaillierte Mustertexte für solche Kriterien bieten. Beispielhaft genannt seien hier die im NABE 2020 angeführten Kriterien, oder die Vielzahl an Vorschlägen in der RVS 10.02.12 „Zuschlagskriterien für Bauaufträge im Verkehrswegebau“ (letztere Unterlage darf auch im Hochbau als Inspiration dienen).
Das Ende der Freiwilligkeit?
Wie bereits erwähnt, gilt fast all das derzeit noch auf freiwilliger Ebene. Kaum ein Auftraggeber muss eine bestimmte klimatische Qualität des Gebäudes (z.B. eine bestimmte Zertifizierung) anstreben, die nicht baurechtlich zwingend gefordert ist; oder PV-Anlagen vorsehen; oder den Einsatz ökologischer Geräte und Fahrzeuge (z.B. hinsichtlich CO2- oder Lärmemission) vorschreiben; oder ein Rückbau- und Verwertungskonzept verlangen. Aber diese Freiwilligkeit wird wahrscheinlich nicht mehr lange andauern.