Ausschreibungen

Die erforderliche Erklärbarkeit des Preises

Baurecht
19.06.2024

Jüngste Gerichtsentscheidungen führen es deutlich vor Augen: Bei öffentlichen Aufträgen muss der Bieter seine Preisgestaltung betriebswirtschaftlich plausibel und im Einklang mit den Ausschreibungsbedingungen erklären können. Von Univ.-Prof. (i.R.) DI DR Andreas Kropik.
Baustelle mit Kran

Der öffentliche Auftraggeber (AG) muss bei unplausiblen Preisen, aber sogar bereits bei einer unplausiblen Zusammensetzung der Preise, eine vertiefte Angebotsprüfung vornehmen. Darüber hinaus macht die Entscheidung des VwGH (Ra 2020/04/0146) einmal mehr deutlich, dass der Bieter in allen Details in der Lage sein muss, sein Angebot schlüssig zu erklären. In einem anderen Fall hat das Verwaltungsgericht Wien (VVGW-123/077/1731/2024) bestätigt, dass die Aufklärung des Bieters – die im Wesentlichen in der Bekräftigung bestand, dass die Lohnkosten nach Einschätzung des Bieters korrekt kalkuliert wurden – keiner Aufklärung gemäß § 141 Abs. 2 BVergG 2018 entspricht. Eine solche Bekräftigung, ohne die gebotenen Erklärungen dazu, entzieht sich einer Nachprüfbarkeit durch den AG.

Auch Details der Kalkulation müssen erklärbar sein

In der Praxis wird oft der Standpunkt vertreten, dass es ausreichend sei, mit einem kostendeckenden Mittellohnpreis zu kalkulieren und dass dessen Zusammensetzung unerheblich sei. Diesen Standpunkt stützt die Judikatur nicht!
Die Personalkosten (Mittellohnpreis) sind im Hinblick auf den dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivvertrag vom AG zu prüfen. Der Bieter muss nachweisen können, dass alle gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorgaben in der Kalkulation berücksichtigt sind. Ein „kalkulatorisches“ Lohn- und Sozialdumping ist unzulässig. Dabei reicht es bereits, dass eine Kostenkomponente des Mittellohnpreises unplausibel, nicht kostendeckend oder den kollektivvertraglichen / sozialrechtlichen Vorschriften nicht entspricht. Die Prüfung endet nicht beim K3-Blatt, sondern kann auch im Detail auf die Herleitung der dort aufscheinenden Ansätze erweitert werden. Das kann so ins Detail gehen, dass ein aus Sicht des AG zu geringer Ansatz der Anzahl der Ausfalltage wegen Krankheit im Zuge der Plausibilisierung der umgelegten Personalnebenkosten, zum Ausscheiden des Angebots führt, weil der Bieter seinen offen gelegten Ansatz nicht weiter erklären kann.
Nach dem BVergG und der Judikatur haben nicht nur der Angebotspreis oder die Einheitspreise angemessen und plausibel zu sein, sondern auch die Faktorkosten (Personalpreis, Materialpreis) und deren Zusammensetzung. Die Preisprüfung reicht demnach weit über die Prüfung der Vertragspreise hinaus. Über jeden preisbildenden Kostenfaktor muss ein Bieter Aufklärung geben können. Deshalb dürfen z. B. die Detailpositionen des K3-Blatts nicht bloß geschätzt werden, weil die Zusammensetzung ebenfalls plausibel sein muss.

Die unterschätzte Bedeutung des Mittellohnpreises

Die Bedeutung des Mittellohnpreises wird häufig unterschätzt, obwohl er für zumeist ca. 30 % bis 40 % des Angebotspreises maßgebend ist. Für Baumeisterleistungen im Hochbau kann (sehr) grob angegeben werden: Lohnkosten ca. 35 %, Materialkosten ca. 30%, Gerätekosten ca. 10 %, Gesamtzuschlag inkl. Gehaltskosten Bauleitung    ca. 25%. Während sich z. B. die gesamten Materialkosten aus vielen Verbrauchsansätzen und vielen Materialpreisen zusammensetzen, setzen sich die Lohnkosten zwar auch aus vielen Aufwandswerten, aber meist nur aus einem Mittellohnkostenansatz zusammen. Ein einziger Kalkulationsansatz beeinflusst den Angebotspreis maßgebend. Fünf Prozent Unterschied können sich mit bis zu ca. 2,5 % auf den Angebotspreis auswirken [100 % - (35 % x 0,95 + 30 % + 10 %) x 1,33) (GZ)].

Mittellohnpreisbroschüre der Bundesinnung Bau

Broschüre

Um die Bedeutung des Mittellohnpreises hervorzuheben, hat die Bundesinnung Bau auch 2024 die Mittellohnpreisbroschüre, nunmehr in der 32. Auflage, herausgegeben. Darin werden die Grundlagen der Personalpreiskalkulation und der Personalnebenkosten ausführlich erläutert. Sie gibt einen Einblick in die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge und erklärt die Umsetzung von kollektivvertraglichen und sozialversicherungsrechtlichen Grundlagen in die entsprechenden Zeilen des K3-Blatts. Weiters finden sich in der Broschüre praktikable Hinweise zur Vermeidung mangelhafter Angebote.

Mehr Informationen

Es stehen hier umfangreiche Informationen zur Baukalkulation, u. a. die Mittellohnpreisbroschüre und ergänzend dazu die Broschüre „Von der Kostenrechnung zu den Werten im K2- und K3-Blatt“ zum Download bereit.

Hier sind ergänzende Informationen wie ein Tutorial zur K3-Blatt-Kalkulation, die Kalkulationsdateien der MLP-Broschüre 2024 sowie weitere Kalkulationstools abrufbar.

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