Fokus Beton und Schalung

Tunnel gegen die Talsohle

Beton
13.11.2024

Die Wohnbauflaute setzt auch dem Beton- und Schalungsbau zu. Aber Aufträge aus den Bereichen Infrastruktur und Gewerbebau helfen der Branche, diese schwierige Zeit zu überstehen. Die Bauzeitung zeigt spannende Projekte – und riskiert dabei einen Blick über die Grenzen Österreichs hinaus.
Projekt „H10 – Tunnel de la Clusette“; Infrastrukturprojekte helfen den Beton- und Schalungsbauern durch die Krise.
Projekt „H10 – Tunnel de la Clusette“; Infrastrukturprojekte helfen den Beton- und Schalungsbauern durch die Krise.

Gefordert war ein perfektes Betonbild: Die Wahl der Schalhaut spielte daher eine wichtige Rolle. Zudem musste für die Belegung der gekrümmten Sonderschalungen eine Schalungsplatte gewählt werden, die sich den Formen ohne Probleme anpasst. Die Wahl der Projektverantwortlichen fiel auf die glasfaserverstärkte Vollkunststoffplatte Alkus GM6. Die sechs Millimeter dicke Schalhaut von Alkus „ist biegbar, aber zugleich biegesteif und wird auch hohen Anforderungen an die Qualität der Oberfläche problemlos gerecht“, so der Liechtensteiner Schalungsanbieter. Zudem ist sie „besonders unempfindlich und langlebig“. Das erspart die im Tunnel sehr aufwändigen Schalhautwechsel.

Mehr Sicherheit für den alten Tunnel

Bei dem Vorhaben, von dem hier die Rede ist, handelt es sich um das Projekt „H10 – Tunnel de la Clusette“. Dieser in die Jahre gekommene Straßentunnel im malerischen Schweizer Kanton Neuenburg erfüllt nicht mehr die geforderten Sicherheitsstandards. Er soll bis 2026 saniert werden. Zudem wird ein Sicherheitsstollen parallel zum Straßentunnel errichtet, um ihn bei einem Brand evakuieren zu können. Den Auftrag für das Vorhaben vergab der Bauherr, die „République et canton de Neuchâtel“, an das auf unterirdische Arbeiten spezialisierte Schweizer Bauunternehmen Infra Tunnel.

Das Infra Tunnel-Team setzt die Alkus GM6 vor allem beim Bau des Sicherheitsstollens ein. Sie kommt auf dem Tunnelwagen von Rubrika und teilweise auch in der Tunnelschalung von Peri zum Einsatz. „Rubrika ist schon seit Jahren zufriedener Alkus-Kunde und kannte unsere Produkte und deren Vorzüge und Anwendung deshalb schon gut“, meint Michael Tschenett, Geschäftsführer der Alkus AG. Der Rubrika-Schalwagen wurde vor Ort mit der Alkus GM6 vernietet und nicht verschweißt, sondern direkt gestoßen. Zudem wurde er in engem Raster vernietet, um zu verhindern, dass Beton hineinfließen kann – was das gewünschte Oberflächenergebnis beeinträchtigt hätte.

Für die Verbindungsstollen vom Haupt- zum Sicherheitstunnel sowie den Parkbuchten wurde die Tunnelschalung von Peri verwendet, zum Teil aber auch die GM6 verwendet. Fabian Epiney, Leiter Sonderschalungsbau bei Peri Schweiz, zeigt sich „mit der Machbarkeit der Alkus-Platte und auch mit dem Top-Ergebnis“ sehr zufrieden.

Deutlich flacher als in den Schweizer Bergen zeigt sich die Landschaft in den Niederlanden. Die Messlatte, die an die Schalungstechnik gelegt wird, kann dennoch hoch sein. Dies war beim ABMC Visitor Center am Friedhof für US-amerikanische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind, im Städtchen Margraten der Fall. Das Besucherzentrum wurde entworfen, „um Exponate mit Stil und Würde auszustellen und zugleich das Verständnis der Geschichte dieses Ortes zu wahren“, so das beauftragte Architekturbüro Kaan Architecten zu seinem Entwurf. „Das abstrakte kubische Volumen dieses Gebäudes vermittelt ein Schweben über der Landschaft.“

Dieser anspruchsvolle Entwurf hatte eine Reihe von besonderen Anforderungen an den Beton- und Schalungsbau zur Folge. Das galt vor allem für die Ausführung der Betonwände, die weder Fugen noch Ankerflächen aufweisen durften. Solche Anforderungen bei derart großen Flächen lassen sich durch aufgesetzte Vorsatzplatten auf einem Standard-Schalungssystem realisieren. Die Verantwortlichen entschieden sich für Alkus-Vollkunststoffplatten. Zudem wurde der Beton in 30 cm hohe Ringe gegossen, um den Eindruck von Wellen zu erzeugen, die rund um das Gebäude und die verglaste Fassade fließen.

Im oberösterreichischen Thalheim sollte dagegen ein schwebend anmutender Gebäudeteil realisiert werden – und zwar beim Bau des neuen Firmenstandorts der ECM Group, die auf Kennzeichnungstechnik spezialisiert ist. Das Gebäude wurde im Frühjahr 2024 fertiggestellt. Es beherbergt nach Angabe des Unternehmens den „fortschrittlichsten Maschinenpark Österreichs“ und soll durch seine lichtdurchfluteten Räume eine angenehme Arbeitsatmosphäre fördern.

Das ausführende Bauunternehmen, die Wiesinger Bau, setzte bei der Errichtung des schwebend anmutenden Teils des Gebäudes auf den neuen Deckentisch Dekplus vom heimischen Schalungsspezialisten Ringer. Dabei gab es eine besondere Herausforderung:  Neben dem Gewicht der unteren, frei auskragenden 50 cm starken Betondecke inklusiver in die Schalung eingelegter und mitbetonierter zementgebundener EPS-Recyclinggranulat-Dämmplatten mit einer Stärke von 26 cm, galt es auch, die Masse der seitlichen Wandscheiben in die Deckenschalung zu integrieren.

Diese Lasten mussten gehalten werden, bis die ganz oben liegende Decke, die erste später fertiggestellt wurde, diese Aufgabe übernehmen konnte. Das hohe Gewicht, dabei entstand, wurde von teilweise bis zu acht Deckenstützen pro Dekplus-Deckentisch aufgenommen. Durch die hohe Flexibilität der Anschlussstellen zwischen Stützenköpfen und Tisch stellte dies kein Problem dar. Die hohe Raumhöhe erforderte den Einsatz von Deckenstützen mit einer Auszugslänge von bis zu 5,50 m.

In Perg im Mühlviertel ist Ringer am Bau des Gesundheitszentrums „Pebios“ beteiligt – ein modernes Zentrum für medizinische Versorgung und altersgerechtes Wohnen. Auf einer bebauten Fläche von 1.450 m² werden künftig Hausärzte, Fachärzte und Therapeuten ihre Dienste anbieten. Das Bauvorhaben umfasst fünf Geschosse inklusive einer Tiefgarage und wird vom Bauunternehmen Krückl ausgeführt. Für die 2000 m² große Tiefgarage kam die AL2000 Wandschalung als Deckenschalung zum Einsatz. Für die Decken des Erdgeschosses und der drei Obergeschosse wählte man die Kombination der beiden Handschalungen Aludek und AL2000. Um die größeren Betonierabschnitte zu realisieren, wurden die bestehenden AL2000 Elemente gezielt durch zusätzliche Aludek Module ergänzt. Das Projekt soll demnächst fertiggestellt werden.

Das Gleiche gilt für ein neues Schulgebäude, das im bayerischen Kirchheim bei München eröffnet werden wird. Das „Haus für Kinder II“ ist ein Erweiterungsbau, wie man ihn in Bildungseinrichtungen sonst kaum zu sehen bekommt. Das Besondere: Die klare Architektur des Flachdachgebäudes mit dem Erdgeschoss und einem aufgesetzten, kleineren zweiten Stockwerk wird durch weite Sichtbetonflächen bestimmt. Die Wände, so lautete die Vorgabe, sollten zumindest einer gehobenen Sichtbetonklasse 2-Qualität (SB2-Qualität) entsprechen. Am Ende gelang es sogar, alle Wände in SB3-Qualität herzustellen, einige sogar in SB4-Qualität.

Das Bauunternehmen Otto Reischl meisterte die Herausforderungen mit dem Wandschalungssystem Mammut 350 und präziser Vorbereitung von Meva. Dabei galt es, eine exakte Taktplanung und die Aufdopplung der Schalelemente zu berücksichtigen. Ein weiterer Erfolgsfaktor des anspruchsvollen Projekts war die ausgeklügelte Logistik mit der Lieferung der Materialien nach dem Just-in-Time-Prinzip. Mit Mammut 350 wurden alle Forderungen erfüllt – auch in Bereichen, wo Wände in einem Arbeitsvorgang und ohne Arbeitsfuge über zwei Etagen herzustellen waren, so wie beispielsweise beim Stiegenhaus. Meva lieferte die Schalung im Miete-Plus-Paket. Neben der Miete und Logistik sind dabei alle Serviceleistungen wie Reinigung und Reparaturen enthalten. Auch die Planung der Schalung und Taktung zum Erzielen der Sichtbetonanforderungen wurde von Meva geliefert.

Im Schweizerischen Winterthur war Meva an der Fertigstellung eines Rohbaus für einen Gewerbekomplex mit befahrbaren Obergeschossen beteiligt. Das Geschäftsgebäude „Fahrwerk“ mit mehr als 10.500 m² Mietfläche ermöglicht den bequemen Warentransport per Auto auch in den Obergeschossen. Mit allen fünf Geschossen ist das Bauwerk mehr als 20 m hoch. Die Obergeschosse werden über Auf- und Abfahrspindeln erschlossen. Sie bestehen aus Betonkernen, um die sich die Fahrspuren wie bei einem Schneckenhaus in die Höhe schrauben. Beim Bau wurden die Spindelkerne zunächst komplett geklettert, ehe die Auf- und Abfahrspuren mit einer fixierbaren Bewehrung an die Rundwand angebaut wurden. Meva Schweiz lieferte Teile der Schalung. In den oberen Bereichen der Betonkerne waren die fixierbaren Bewehrungsstäbe zu berücksichtigen und in die Wand einzubetonieren. Um die Anschlussbewehrung sauber vorbereiten zu können, kam daher eine Sonderschalung von Meva zum Einsatz.

Ein völlig anderes Bauvorhaben soll bis Ende dieses Jahres im deutschen Bundesland Niedersachsen in Petze bei Hildesheim realisiert werden. Dort entsteht mit Hilfe des Schalungsbauers Peri ein neuer Hochbehälter der Harzwasserkraftwerke. Hochbehälter sind ein wichtiger Bestandteil der Wasserversorgung. Durch ihre erhöhte Lage speisen sie ohne Pumpen Trinkwasser in das Versorgungsnetz. Um die streng regulierten Grenzwerte einzuhalten, gelten für die Planung, den Bau und den Betrieb dieser Anlagen sehr hohe Qualitätsansprüche.

In knapp zwei Jahren errichtete der Generalunternehmer WBB Bau & Beton in der wohl größten Baugrube Niedersachsens eine enorme Anlage mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 25.000 m³. Als Teil des Projektteams unterstützten Peri Ingenieure die Rohbauarbeiten mit einem speziell für das Vorhaben entwickelten Schalungs- und Gerüstkonzept – kein triviales Unterfangen, da es galt, bis zu zehn Meter hohe Wände sowie rund 5.500 m² Stahlbetondecke in höchster Ausführungsqualität herzustellen.

Peri lieferte für die Umsetzung zahlreiche Systemlösungen: Um die Wandschalungsarbeiten zu beschleunigen, setzte man Maximo Struktur ein – die bereits im Werk mit einer 3-S-Trägerplatte belegte Variante der Maximo Rahmenschalung. Die Maximo Struktur-Elemente wurden mit dem modularen Konsolensystem MXK kombiniert und mit Peri T-Plex Schalungsplatten sowie wasserabführenden Schalungsbahnen belegt. Beim Schalen der Decken in vier Abschnitten zu jeweils bis zu 1.650 m² trugen Multidrop Alu-Deckenstützen die Multiflex Träger-Deckenschalung.

Ähnlich eindrucksvolle Abmessungen wie der Wasserbehälter in Niedersachsen hat ein Bauwerk, das zu einem neuen Wahrzeichen Berlins werden soll: der 176 Meter hohe Estrel Tower. Er wird bei seiner Fertigstellung 2025 das höchste nicht-technische Gebäude der deutschen Hauptstadt sein. Ende August 2022 hat die beauftragte Anes Bauausführungen Berlin die 3,60 m starke Bodenplatte des Towers fertiggestellt. Seitdem wächst das Gebäude alle neun bis zehn Tage um ein Geschoss mit einer Fläche von jeweils 1.300 m² in die Höhe.

Die Basis für die Rohbauarbeiten ist ein umfassendes Schalungs- und Sicherheitskonzept, das der Schalungsspezialist Hünnebeck beisteuert. Eingesetzt werden Standard- und Sonderschalungslösungen. Highlight ist der Rund-um-Schutz aller Rohbauarbeiten durch einen kletternden, vollflächigen Windschild aus dem Safescreen Programm von Hünnebeck, der über 2,5 Etagen reicht. „Alle Arbeiten – selbst der Ausbau der Kletterschuhe und Ankerkonen – erfolgen innerhalb des Windschilds, das zu jeder Zeit vollständig geschlossen ist“, erklärt ein Hünnebeck-Experte für Arbeitsschutz.

Die Arbeitsfolge hinter dem Windschild ist stets gleich: Zuerst werden die 28 Außenstützen hergestellt. Sie tragen die 32 cm starken Flachdecken. Parallel dazu entsteht in zwei Abschnitten der zentrale Aufzugskern mit neun Aufzügen, zwei Stiegenhäusern und kleineren Nebenräumen und Schächten für die Technik. Als Schalung dienen die 3,60 m hohen Tafeln der Großlächenschalung Platinum. Sie werden teilweise mit einseitiger Ankerung und mit 120 cm Aufstockung eingesetzt.

Tausende km entfernt von Europa steht der „Gross Reservoir“-Staudamm im Herzen des US-amerikanischen Bundesstaats Colorado. Er spielt eine entscheidende Rolle bei der Wasserversorgung der Region. Um sie abzusichern, führt Staudammbetreiber Denver Water derzeit die größte Walzbeton-Dammerhöhung in der Geschichte der USA durch. Dabei wird das rund 70 Jahre alte Bauwerk von 103 auf 143 m erhöht – wodurch sich das Speichervolumen fast verdreifacht.

An diesem gewaltigen Projekt ist der österreichische Schalungskonzern Doka mit seiner US-Tochter beteiligt. Etwa 554.000 m³ Walzbeton und mehr als 69.000 m³ herkömmlicher Beton werden für das Vorhaben benötigt. Das Projekt umfasst 118 luftseitige Betonstufen, die von der Sohle des bestehenden Damms bis zur neuen Dammkrone führen. Der Kunde benötigte von Doka ein Ankerschalungssystem, das sich aus ästhetischen Gründen an die Dammoberfläche anpasst und die Wandschalungen sicher gegen den Druck des frisch eingebrachten Betons abstützt. Die Schalungslösung muss schnell und effizient zu bewegen sein, aber mit minimalen Ankern, um eine größere Flexibilität zu gewährleisten. Zudem geht die Dammoberfläche mit jedem Hub zurück und verbreitert sich zunehmend – was die Komplexität des Betonierens erhöht.

In enger Zusammenarbeit mit dem Projektteam entwickelte Doka eine Schalungslösung, die diese Anforderungen abdeckt. Dazu Michael Kennedy, der CEO von Doka USA: „Durch die Kombination von maßgeschneiderten und standardisierten Trägerschalungen lieferte unser Team ein System, das nicht nur die enormen Mengen an Walzbeton zuverlässig abstützt, sondern auch die hohen Bautoleranzen des Damms während seines Anstiegs sicherstellt.“

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