Zementindustrie
Die Zukunft des Zements
„Zement und Beton werden auch in Zukunft nicht ersetzbar sein“, meint Sebastian Spaun. Für den Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) ist aber klar, dass seine Branche in den kommenden Jahrzehnten nur dann eine echte Zukunft hat, wenn sie das hält, was sie in ihrer CO₂-Roadmap versprochen hat – das Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Spaun: „Die Frage ist, wie die Zemente der Zukunft aussehen werden, wie eine CO₂-Minderung bei ihrer Herstellung gelingen und wie Nachhaltigkeit im Betonbau umgesetzt werden kann.“
Im Wettbewerb in Europa
Diesen Fragen widmete sich das Kolloquium der VÖZ am 4. November 2024 in Wien. Vertreterinnen und Vertreter von Zementindustrie und Bauwirtschaft sowie aus der Forschung diskutierten vor und mit 300 Teilnehmer*innen. Dass Klimaschutz und Bauen Hand in Hand gehen müssen, zeigte die anschließende Podiumsdiskussion. Heimo Berger, Vorstandsvorsitzender der VÖZ und CEO der Leube Gruppe, betonte seine Sicht, warum der Baustoff Beton auch in Zukunft unverzichtbar sei: „Mit Beton können wir flächenschonend in die Höhe und Tiefe bauen. Die Bauteilaktivierung trägt maßgeblich zur Klimaresilienz des Wohnbaus bei. Und wir können unsere Baustoffe zu 100 Prozent im Kreislauf halten“, so Berger. „Unsere Unternehmen investieren gewaltig in modernste Mahltechnologien und planen CO₂-Abscheideanlagen und -Speicherprojekte. Dazu müssen die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden, da unsere Standorte hier in direktem Wettbewerb mit anderen Regionen innerhalb und außerhalb Europas stehen.“
Im Vorfeld des Kolloquiums hatten Spaun und Berger erläutert, was sie von der heimischen Politik erwarten: Derzeit wird europaweit an Projekten zu CO₂-Abscheideanlagen gearbeitet – die Fachleute sprechen hier von Carbon Capture. Diese Projekte erfordern Investitionen zwischen 100 und 200 Millionen Euro. Rund 20 von Ihnen werden derzeit vom Transformationsfonds der EU gefördert. Darunter befindet sich allerdings kein Projekt in einem Binnenland. Der Grund: Das abgeschiedene CO₂ muss irgendwo gelagert werden – und nach jetziger Planung werden sich diese Lagerstätten vor allem unter dem Meeresboden in der Nordsee und in der Adria befinden. Carbon Capture-Anlagen mit Zugang zu einem Hafen haben aufgrund der geringeren Transportkosten einen großen Vorteil.
Für Binnenländer wie Österreich bedeutet dies: Will man eine CO₂-Abscheideanlage vor Ort errichten – und dies wäre für das Überlegen energieintensiver Branchen wie Papier-, Stahl oder Zementindustrie notwendig – dann muss die Politik dafür die Weichen stellen. Die gute Nachricht für die Industrie: Die alte Regierung hat vor einigen Monaten beschlossen, das noch derzeit noch geltende Verbot der CO₂-Speicherung in Österreich aufzuheben und den Aufbau eines Pipeline-Netzwerks zu evaluieren. Dieses soll in Zukunft das abgeschiedene CO₂ zu den Lagerstätten unter dem Meeresboden transportieren. Die Preisfrage, die sich die Branche nun stellt, lautet natürlich: Hält sich die neue Regierung an diese Beschlüsse, und, wenn ja, wann beginnen die Arbeiten? Die Zeit drängt. Dazu VÖZ-Geschäftsführer Spaun: „Es kann alles diskutiert werden. Aber bitte stellen wir Standort und Infrastruktur außer Streit. Es darf keine Verzögerung beim Thema Carbon Capture geben. Wir liegen schon einige Jahre hinter anderen Regionen in Europa. Das ist kein Jammern. Das sind die Fakten.“
Mehr Sachlichkeit wünscht sich Spaun auch bei der Bewertung von unterschiedlichen Baustoffen. Er verwies auf eine neue Studie, die von renommierten Wissenschaftler*innen der TU Graz, der Universität Innsbruck und der Boku Wien erstellt worden ist. Sie widmet sich der Frage, wie sich die Verwendung von Holz im Bausektor auf die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre auswirkt. Zusammengefasst haben die Forscher*innen zwei Aspekte untersucht: Um wie viel besser ist die CO₂-Bilanz des Baustoffes Holz im Vergleich zu anderen Baustoffen wirklich? Und wie wirkt es sich aus, dass durch die Entnahme des Holzes aus dem Wald dessen Wirkung als CO₂-Senke reduziert wird?
„In unserer Analyse erreicht kein Holzszenario eine ausreichende Substitution“ von Treibhausgas-Emissionen „über den gesamten Lebenszyklus, um das durch die Ernte nicht realisierte Kohlenstoffspeicherpotenzial im Waldsystem zu kompensieren“, so das durchaus brisante Fazit der Studie. Im Klartext: Die Vorteile, die der Baustoff Holz beim Thema CO₂ hat, werden dadurch mehr als ausgeglichen, dass das verwendete Holz nicht mehr im Wald als CO₂-Senke zur Verfügung steht. Das Forscherteam fordert, dass diese Erkenntnis berücksichtigt wird, „um ein umfassenderes Bild der Klimaauswirkungen von Wäldern und holzbasierten Produkten zu erhalten“.
Die Vertreter der Bauwirtschaft werden diese Studie in den kommenden Wochen sicher mit Interesse erörtern. Peter Krammer, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) und CEO der Swietelsky AG, erläuterte auf dem Kolloquium, wie Klimaschutz und Bauen der Zukunft bereits jetzt vorangetrieben werden: „Unsere Ziele sind die Förderung der Kreislaufwirtschaft und einer effizienten Baulogistik, die Verwendung von Recyclingbaustoffen und treibhausgasarmen Materialien, die Optimierung von Konstruktionen zur Einsparung von Emissionen, Lebenszyklusmanagement und eine Stärkung entsprechender Vergabekriterien.“
VÖZ-Geschäftsführer Spaun zog am Ende ein positives Resümee der Veranstaltung: „Seit 45 Jahren stellt die VÖZ mit dem Kolloquium die Forschung und Entwicklung in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Die rege Teilnahme am diesjährigen Kolloquium bestätigt den hohen Stellenwert der Forschung, um Themen wie Klimaschutz, Dekarbonisierung und Bauen der Zukunft erfolgreich voranzutreiben.“